Kategorie: Politik
Verdeckte US-Kriege in Afrika
Jenseits von Top Secret
Wenn Schiffe mit afrikanischen Flüchtlingen europäische Küsten ansteuern, reden Populisten gern abfällig von „Asyltourismus“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“, die sich nur auf unsere Kosten die Bäuche vollschlagen wollen. Abgesehen davon, dass sich satt essen zu können zu den grundlegenden Menschenrechten gehört und die Hungerkatastrophe in weiten Teilen Afrikas vor allem vom Klimawandel verursacht wird, den wir Europäer in Kooperation mit anderen reichen Nationen verursacht haben: Viele Afrikaner sind auch auf der Flucht vor Krieg in ihren Ländern.
Die meisten Kriege in Afrika laufen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab, und man kann sie auch nicht als „Stammesfehden“ abtun. Oft stehen sie unter US-Kommando. Auch wenn das Pentagon es lange Zeit vehement abgestritten hat, laufen nach Recherchen von POLITICO zahlreiche verdeckte Kriegsoperationen der USA in Afrika. Die Schauplätze sind quer über den Kontinent verteilt: In bekannten Krisengebieten wie Somalia und Libyen, aber - was nicht jeder weiß - auch in Kenia, Tunesien, Kamerun, Mali, Mauretanien und im Niger.
Es geht natürlich wie immer um Terrorismusbekämpfung. Seit dem 11. September verfolgen die USA eine Politik, ihr eigenes Land zu schützen, indem man andere Länder mit Krieg überzieht. Offiziell sind die zahlreichen Eliteeinheiten der Green Berets, Navy SEALs und anderen Spezialtruppen in Afrika nur im Einsatz, um die örtlichen Militärs zu „beraten“. Doch die Zusammenarbeit geht viel weiter: US-Truppen planen und kontrollieren weitgehend die Kampfeinsätze der Einheimischen. Die weitgehende Geheimhaltung ermöglicht es allerdings, in der Öffentlichkeit den Afrikanern hinterher die Verantwortung für die Folgen des Krieges zuzuschieben.
Derartige verdeckten Operationen lösten während der Präsidentschaft Barack Obamas die offenen US-Invasionen der Bush-Ära ab, um amerikanische Verluste und den Widerstand in der eigenen Bevölkerung in Grenzen zu halten. Dieses Vermächtnis seines Vorgängers hat auch Donald Trump nur allzu gern übernommen. “Es ist weniger, ‘Wir helfen Ihnen,’ und mehr, ‘Tun Sie, was wir sagen.’”, erklärte ein Green-Beret- Offizier im aktiven Dienst, der kürzlich in Westafrika Erfahrungen gesammelt hatte. Die Operationen seien legal autorisiert nach „Sektion 127e“. Wie viele andere sprach er nur unter der Bedingung der Anonymität. Die Abteilung des Pentagon, die für die Finanzierung zuständig ist, ist selbst nicht klassifiziert, und hochrangige Offiziere haben die Operationen bei Kongressanhörungen des Öfteren eingeräumt, ohne jedoch zu konkretisieren, welch „unübliche Arrangements“ mit den lokalen Streitkräften sie gestatten.
Admiral William McRaven erklärte vor dem Kongress, Sektion 127e sei „wahrscheinlich die wichtigste Autorität, die wir in unserem Kampf gegen den Terrorismus haben.“ Und sein Nachfolger Tony Thomas fügte hinzu, der „einzigartige Zugang und die Fähigkeiten“ der Spezialkräfte führe zu Resultaten. Was genau er damit meinte, präzisierte er nicht. In Wahrheit sieht es so aus, dass die afrikanischen Regierungen gegen finanzielle Zuwendungen des Pentagon ihre eigenen Truppen an US-Kommandos vor Ort verleihen. Die USA selbst sind es, die diese Kriege führen, allerdings mit minimalem Einsatz eigener Truppen.
Erstmals bekannt wurde die wahre Rolle der USA in den afrikanischen Konflikten im Oktober 2017, als vier amerikanische Soldaten im Dorf Tongo Tongo im Niger von IS-Milizen in einen Hinterhalt gelockt und getötet wurden. Wie bekannt wurde, war eine Einheit von US-Helikoptern, die den Männern Luftunterstützung hätte geben sollten, aufgrund von Wettereinflüssen zurückbeordert worden und hatte die Bodentruppen hinter den feindlichen Linien allein zurückgelassen.
Der Vorfall brachte dem Pentagon unangenehme Fragen ein, was denn die US-Soldaten dort zu suchen hatten, in einem Krieg, von dem die meisten Amerikaner noch nie etwas gehört hatten. Spärlich und widerwillig rückte das Pentagon Informationen heraus, ohne jedoch das volle Ausmaß der Mission offenzulegen. Vor der Presse erklärte Lieutenant General Kenneth McKenzie, die amerikanischen „Berater“ seien „nicht in Kampfhandlungen verwickelt“. Eine besonders dumme Lüge, angesichts der Tatsache, dass mittlerweile vier von ihnen tot waren.
In der Kongressuntersuchung musste das Africa Command dann einräumen, die Operation sei ein „Multiteam-Raid“ gewesen, eine militärisch-kryptische Umschreibung für einen direkten Kampfeinsatz von US-Soldaten.
Sobald US-Geheimdienste eine Mission geplant haben und ein Einsatzbefehl vom Hauptquartier erfolgt ist, begeben sich die US-Truppen mit ihren lokalen Partnern in die Nähe des Zielortes. Dort haben sie Befehl, in der letztmöglichen Position zu bleiben, die ihnen Deckung vor feindlichem Beschuss bietet. Doch in den Wüsten Nordwestafrikas „gibt es oft keine Deckung“, so ein Ex-Special-Operations-Offizier.
„Es gibt eine Grauzone zwischen afrikanischen Operationen mit US-Unterstützung und US-Operationen mit afrikanischer Hilfe.“, sagte eine Ex-Beamtin des Pentagon. „Ab wann es eine US-Operation ist, ist mehrdeutig.“ Die Anzahl der Länder, in denen die Operationen durchgeführt werden, wechselt. Ebenso die Bereitschaft der Gastgeberländer, dabei mitzumachen. Während Somalia zu den „Willigen“ gehört, hat sich Kameruns Präsident vorbehalten, jeden US-Einsatz gesondert zu genehmigen. Hauptsächlich deshalb, damit es keine Pressemeldungen über gefallene Amerikaner in seinem Land gibt.
Die Operationen sind nicht auf unbestimmte Zeit gedacht. Doch „sobald diese Dinge beginnen, sind sie schwer abzustellen.“, sagte Linda Robinson, Politik-Analytikerin des Rüstungskonzerns RAND Corporation, So ganz legal scheint das alles nicht zu sein, denn sie fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass Kongress oder Special Operations Command sie wirklich zur Rechenschaft ziehen.“