Chinas „Spurensuche“ nach Apollo-Mondlandungen? Die Fakten

Offizielle Landeplätze der sechs Apollo-Missionen. Zum Vergleich der Landeplatz des chinesischen "Jadehasen".
Ein Kommentar von Grazyna Fosar und Franz Bludorf
In letzter Zeit sorgt eine Meldung, die im Internet kursiert, für Aufsehen. Im Verlauf von Chinas erster Mondmission, bei der der Mondrover Yutu („Jadehase“) auf der Mondoberfläche ausgesetzt wurde, soll man „keine Spuren der Apollo-Missionen“ entdeckt haben. Auch Matrix3000 hat dies erst einmal online gemeldet, um unserer journalistischen Chronistenpflicht nachzukommen.
Das hinderte uns allerdings nicht, die Sache einmal gründlich zu recherchieren. Widersprüchlichkeiten im Zusammenhang mit den Apollo-Mondflügen der NASA kennt man seit Jahren, darunter einige ziemlich überzeugende Indizien. Dass die NASA mittlerweile einräumen musste, dass die Originalfilme von Apollo 11 unauffindbar sind, goss zusätzliches Öl ins Feuer. Wenn die neueste Meldung der Wiener Tageszeitung „Österreich“ also stimmen würde, dann wäre das, als würde man endgültig aus dem Apollo-Ballon der NASA den Stöpsel ziehen. Die USA hätten so etwas wie ihren „nächsten Fall Snowden“.
Was uns von Anfang an an der Berichterstattung in „Österreich“ störte, war die Oberflächlichkeit des Berichts. „China“ soll das bekanntgegeben haben, und einige „hochrangige Beamte“ Chinas und Russlands sollen daraufhin in einer Petition die Offenlegung der geheimen NASA-Akten gefordert haben. Das war alles. Keine konkreten Namen, keine Quellenangabe unter dem Artikel, weder auf eine Nachrichtenagentur noch auf ein Presseorgan, das die Meldung als erstes brachte.
Und dass der „Jadehase“ diese epochale Entdeckung gemacht haben soll, outet den Artikel als zumindest schlecht recherchiert. Ein Bodenfahrzeug, das während seiner Lebensdauer bestenfalls ein paar Kilometer seiner Umgebung erkunden kann, soll einen NASA-Landeplatz „vermisst“ haben? Dies wäre nur möglich, wenn die Chinesen absichtlich direkt an einem solchen gelandet wären. Sind sie aber nicht. Der „Jadehase“ wurde im Mare Imbrium abgesetzt, das grundsätzlich auch Ziel mehrerer Mondlandungen war. Doch diese Tiefebene des Mondes misst im Durchmesser über 1000 Kilometer, und das Langohr aus dem Reich der Mitte befand sich so ziemlich am anderen Ende.
Natürlich hat auch der chinesische Orbiter Chang’e-3 im Verlauf der Mission fortlaufend die Mondoberfläche fotografiert. Vielleicht ist dadurch ja etwas aufgefallen? Auf der offiziellen Website der chinesischen Raumfahrtbehörde findet sich darüber kein Wort. Würden die Chinesen wirklich dazu schweigen, wenn sie handfeste Beweise hätten?
Falls Sie „Österreich“ nicht kennen (die Zeitung, nicht das Land): Es handelt sich um eine Boulevardzeitung aus Wien, die in Aufmachung und Inhalt „USA Today“ nachempfunden ist. In der europäischen Presselandschaft wird sie etwa in einer Kategorie mit dem „Daily Mirror“ und der „Bild-Zeitung“ eingeordnet. Das muss natürlich nicht bedeuten, dass ihre Berichte falsch wären.
Wie eine umfangreichere Recherche ergab, ist der Artikel wohl eine (entschärfte) Kurzfassung eines Berichtes, der in unterschiedlichen Ausschmückungsvarianten in Internet-Foren und Blogs kursiert. Übereinstimmend berufen sich alle auf eine gemeinsame Urquelle. Ein Bericht im „Beijing Daily Express“ vom 22. September 2014 soll der Auslöser der ganzen Affäre gewesen sein. Dort sei die Petition der „Beamten“ ausdrücklich erwähnt worden. Eine genaue Quelle (Link) gibt niemand, eine Webseite des Beijing Daily Express ist unauffindbar, selbst die englische Wikipedia weist mit keinem Wort darauf hin, dass ein solches Blatt überhaupt existiert.
Zumindest eine Person wird in den diversen Blogs sogar namentlich erwähnt. Der „weltbekannte russische Nuklearphysiker“ Juri Ignatjewitsch Muchin soll die Petition mit unterschrieben haben. Immerhin – der existiert. Er ist zwar weder weltbekannt noch Nuklearphysiker, und eine irgendwie geartete Apollo-Petition hat er vermutlich auch nicht unterschrieben. Er ist graduierter Ingenieur der Metallurgie von der Universität Dnjepropetrowsk in der heutigen Ukraine und hat sich nach seinem Studium vor allem als Buchautor, Politaktivist und Verschwörungstheoretiker hervorgetan. In Russland ist er seit Jahren als aktiver Verfechter der Apollo-Verschwörungshypothese bekannt. Auch das beweist noch nicht, dass die Meldung insgesamt falsch wäre, fügt ihr aber auch keine wirklich beweiskräftigen neuen Aspekte hinzu. Auf Muchins eigener offizieller Website www.ymuhin.ru (in russischer Sprache) wird eine Petition mit keinem Wort erwähnt. Seit dem Start des chinesischen Mondfluges hat Muchin auf seiner Website überhaupt keinen Artikel zu Apollo veröffentlicht.
Wir haben für unser neues Buch „Der Denver-Plan“ auch zahlreiche neue Fakten zum Thema Mond recherchiert und diesen ein ganzes Kapitel gewidmet. Aber es waren eben Fakten, die nachvollziehbar und belegbar sind. Welchen Zweck dagegen verfolgt man mit solchen Publikationen? Und wer ist man? Es bleibt ja völlig ungeklärt, wer die ganze Meldung als erster lanciert hat.
Tatsache ist, dass die NASA jetzt keine schlechte Presse gebrauchen kann, da sie ihr Weltraumprogramm neu beleben will, wozu der Kongress hohe Geldsummen bewilligen muss. Was wäre willkommener als wenn einer oder mehrere unter denen, die die Wahrheit der Apollo-Flüge anzweifeln, auf eine fragwürdige und leicht widerlegbare Pressemeldung hereinfallen würden. Nach bewährter Manier könnte man sie dadurch hervorragend diskreditieren.
Es gibt eine interessante zeitliche Parallele: Das ebenso unglaubwürdige Majestic-12-Dokument über einen angeblichen Vertrag, den Präsident Eisenhower einst mit den Außerirdischen unterschrieben haben soll, tauchte jetzt urplötzlich bei der CIA wieder auf – innerhalb des Aktenberges zu einem Mind-Control-Projekt. Es ist seit Jahren bekannt, dass die CIA eine eigene Abteilung hat, deren einzige Aufgabe es ist, Falschmeldungen an die Presse zu lancieren (siehe auch Artikel: Die Nachrichtenmacher, Link s. u.). Das freie Internet mit seinen zahlreichen Posting-Möglichkeiten macht diese Aufgabe einfacher denn je.
Egal, wer für die Meldung ursprünglich verantwortlich ist: Wir erlauben uns jetzt, aus dem österreichischen Presseartikel den Stöpsel zu ziehen. Es gibt wie gesagt ziemlich überzeugende Argumente, dass mit den Apollo-Mondflügen etwas nicht stimmt. Dieser Artikel gehört nicht dazu.
Literatur: Fosar/Bludorf: Der Denver-Plan