"Yes we scan"
Was Edward Snowden zu erwähnen vergaß. Ein Sommer neigt sich dem Ende zu. Für viele Menschen war er sehr aufregend. Ein Mann hatte dafür gesorgt. Edward Snowden. Seine mehrteilige Sitcom sorgte auf der ganzen Welt für Empörung. „Von meinem Schreibtisch aus hätte ich Dich, Deinen Steuerberater, einen Bundesrichter und sogar den Präsidenten der Vereinigten Staaten abhören können, wenn ich nur seine private E-Mail kennen würde.“ So die Aussage des Ex-IT-Spezialisten der NSA, dessen Enthüllungen während seiner Flucht rund um den Globus wochenlang die Medien beherrschte. Politiker empörten sich. Diplomaten empörten sich. Journalisten empörten sich. Die Bevölkerung empörte sich – über Fakten, die man im Grunde seit Jahren kannte. Matrix3000 etwa berichtete bereits 2008 – und schon damals nicht zum ersten Mal – über die weltweiten Abhörpraktiken des größten amerikanischen Geheimdienstes. Datenschnüffler PRISM Bei PRISM, so erfuhr die erschrockene Öffentlichkeit, handelt es sich nicht um ein Prisma, sondern um ein “Planning Tool for Resource Integration, Synchronization, and Management“, ein komplexes Computerprogramm, mit dessen Hilfe die NSA seit Jahren die ganze Welt überwacht und dabei unvorstellbare Datenmengen speichert. Ohne Kontrolle durch Parlament oder Justiz. Ganz einfach so, weil sie es können. Und die Regierungen der Welt behaupteten, nichts von alledem gewusst zu haben, was kaum glaubhaft erscheint, selbst bei denen, für die – wie im Fall von Bundeskanzlerin Angela Merkel – das Internet noch „Neuland“ ist. Egal wo Sie wohnen – PRISM ist bei Ihnen. Ein gigantischer Erbsenzähler und Kleinkrämer, der Daten sammelt und Zusammenhänge erkennt, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Sophie stöbert im Internet und sieht sich ein paar Seiten an, sie simst an ein paar Freunde, bezahlt etwas mit ihrer Kreditkarte, und in diesem Moment weiß PRISM bereits, dass sie im dritten Monat schwanger ist, ohne verheiratet zu sein, dass sie über ein Kreditkartenlimit von 5000 Euro verfügt und vor einem Jahr mit einem Freund telefoniert hatte, der ein paar Wochen in Pakistan war und dort mit einem Mann über Musik gesprochen hatte, dessen Bruder in Verdacht steht, mit dem Fernsehsender Al Jazeera in Verbindung zu stehen. Sophie hat bei der NSA den Status „Rot“. Hat PRISM etwa die Aufgabe, harmlose Bürger auszuspionieren? Das Problem ist viel größer. Die Überwachung der Bürger ist nur eine kleine Nebenbeschäftigung – und natürlich ein dankbarer Aufhänger für eine Pressekampagne im Sommerloch.
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